Die vierte industrielle Revolution, die umfassende Digitalisierung, ist in vollem Gange. Dabei sind digitale Plattformen ein wesentlicher Treiber für grosse Veränderungen im Markt. Plattformen definieren Prozesse und Wertschöpfung durch allseitige Vernetzung neu und revolutionieren sie bahnbrechend. Dies stellt aber auch Plattformen selbst vor neue Herausforderungen.
Amazon, Alibaba, Uber, Netflix und Airbnb sind bekannte Beispiele, für Firmen, die durch die Nutzung von neuen, lukrativen Geschäftsmodellen exponentiell gewachsen sind. Nicht von ungefähr stellen Gründer weltweit erfolgreicher Plattformen einen Grossteil der Self-Made-Milliardäre dar. Der schnelle Erfolg und das rasante Wachstum von Google, Spotify und weiteren Playern bringt einerseits Gewinn, stellt den Markt aber auch auf den Kopf. Sie alle haben innerhalb kürzester Zeit ihre Branche revolutioniert. Dabei durchleben Anbieter gleichermassen eine Revolution wie diejenigen, welche die Plattformen nutzen.
Erfolgreiche Schweizer Plattformen wie Digitec Galaxus, Ricardo oder Tutti.ch zeigen zwar, dass man nicht aus dem Silicon Valley kommen muss, um bei Konsumenten anzukommen. Doch die Praxis zeigt, dass neue Plattformen neben den etablierten nationalen und internationalen Playern einen schweren Stand haben. So wurde 2018 zum Beispiel der offene Online-Marktplatz Siroop – ein Joint-Venture von Swisscom und Coop – nur drei Jahre nach seiner Gründung eingestellt.
Am Swiss Billing und Card Forum von Accarda, durch das Aileen Zumstein führte, wurde das Thema Plattformökonomie aus wissenschaftlicher und praxisorientierter Sicht beleuchtet. Marcus Schögel, Professor für Marketing an der Hochschule St. Gallen, bildete mit den Ergebnissen aus seiner Studie den Status-Quo der Schweizer Plattform-Landschaft ab. Dafür wurden 67 Plattformen, die in der Schweiz tätig sind, verglichen. Die wichtigsten Erkenntnisse sind:
Diese Ergebnisse zeigen: Plattformen sind ein hart umkämpfter Markt. Deshalb ist es umso wichtiger, sich damit von anderen abzugrenzen. Dies kann erreicht werden durch das Pricing, die Offenheit der Plattform, die Differenzierung mit einem einzigartigen Angebot und durch die Übernahme gewisser Funktionen von anderen Plattformen. Gerade diese letztgenannte Integration bietet Wachstumschancen. Neben Funktionen von anderen Playern können auch Kundendienstleistungen, Lieferantendienstleistungen und Dienstleistungen aus anderen Branchen integriert werden.
Auch Marcel Brindöpke, Mitgründer und Geschäftsführer der Heyconnect GmbH, referierte am Forum zum Thema Plattformökonomie. Er bestätigte ebenfalls: Plattformen können sich in gewissen Bereichen noch verbessern. Beispielsweise gibt es eine hohe Diskrepanz zwischen der akzeptierten Versandzeit auf der Kundenseite (72 Stunden) und der realisierten Zeit bis zur Live-Stellung eines Artikels (2 Wochen). Entsprechend wird auch die reibungslose und effiziente Zusammenarbeit mit Lieferanten wichtiger werden. Genau wie bei den Kunden, müssen Plattformen auch hier eine Pull-Funktion einnehmen, und als Vermittler wirken.
Gemäss Brindöpke wird sich der Plattform-Wettbewerb damit bis 2025 folgendermassen verändern:
Der Wandel ist auch deshalb wichtig, weil der Plattformwettbewerb selbst ständig an Gewicht gewinnt. Denn wir befinden uns mitten in der Entwicklung vom Handelswettbewerb zum Plattformwettbewerb. Das heisst konkret: Der Wholesale wird verdrängt. Besonders im Online-Handel erfreuen sich Plattformen grosser Beliebtheit: Die Wunderman Thompson E-Commerce-Studie 2019 zeigt, dass in der Schweiz – und zwar über alle Altersgruppen hinweg – durchschnittlich ca. 40% der Befragten ein bis drei Mal pro Monat online einkaufen. Lediglich bei Einkäufen übers Smartphone liegen die 14- bis 29-Jährigen mit knapp 40%, die mindestens einmal wöchentlich per App einkaufen, deutlich vorne. Vor allem der Mode-Kauf, mit der Zalando-App an der Spitze, ist dabei besonders beliebt.
Dieser Trend macht dem stationären Mode-Handel zu schaffen und setzt selbst etablierte Unternehmen unter Druck. Wie die aktuelle Berichterstattung zeigt, werden im Vergleich zu vor zehn Jahren im Schweizer Detailhandel fünf Milliarden weniger Umsatz gemacht. Die Folge: Über 330 Mode- und Schuhläden haben in nur einem Jahr geschlossen. Als wirtschaftsstarkes Land ist die Schweiz im europäischen Vergleich mit dem stark rückläufigen Detailhandel ein Einzelfall. Gründe dafür sind unter anderem der zunehmende Online-Handel und Einkäufe im Ausland.
Mehr zum Thema Plattformökonomie gibt es im Gespräch mit Friederike von Waldenfels, CEO der Schweizer Plattform SwissCommerce. Die Unternehmerin setzt auf Nischen, um gegen Amazon, Alibaba und weitere grosse Player anzukommen.