×

Start-ups in Zeiten der Coronakrise – In Forbes DACH

Publiziert am 20.04.2020 | Übersetzung verfügbar in:

Start-ups in Zeiten der Coronakrise – In Forbes DACH

Start-ups kennen eine Kultur des Überlebens. In diesen herausfordernden Tagen ist die Kommunikation schnell und offen wie noch nie: Überleben wir? Wenn ja, wie? Ein Gastkommentar von Aileen Zumstein.

Die Coronakrise trifft alle in irgendeiner Weise. Die einen Jungunternehmen blühen auf und sind gefragt wie noch nie, andere Start-ups stehen auf der Kippe oder kurz vor dem Abgrund.

Ob sie in den kommenden Wochen und Monaten in die Tiefe stürzen oder nicht, ist nicht zwingend klar. Seit Start der Pandemie stellen sich wichtige Fragen, die schnellstens beantwortet werden müssen:

  • Unternehmensphase: Wo stehen wir im Lifecycle? Lässt mein Lifecycle es zu, mein Produkt anzupassen, damit ich weiterhin Wertschöpfung generieren kann?

  • Eine traurige Tatsache ist, dass man viel aufgebaut hat und von heute auf Morgen keinen Markt mehr vorfindet und daher keine Werterhaltung möglich ist.

  • Wertgenerierung: Besteht die Wertschöpfungskette, die wir kreieren, weiterhin noch wie anhin?

  • Liquidität: Wie sind wir finanziert und wie trifft es die Menschen, die in unseren Start-up investiert haben? Wie trifft es meine Freunde und Familie? Wie stark sind unsere Investoren betroffen?

  • Gilt die Regel „doppelt so lange – doppelt so teuer“ nach wie vor?

Start-ups haben einen grossen Vorteil – ihre gelebte Kultur. Start-up Unternehmer*innen und Mitarbeitende sind sich gewohnt, mit wenig auszukommen, schnell zu handeln und agil zu sein. Sie leben in einer Kultur des „Überlebens“, in der jede einzelne Person und deren Engagement zählt. Ihre Kommunikation läuft seit jeher über digitale Kanäle und mit remote arbeiten sind sie gewachsen. Sie sind sich gewohnt, dass es nicht immer perfekt sein muss.

Oft verfügen sie über flexible Kostenstrukturen. Pivotieren ist Alltag: Ist die innovative Idee marktfähig? Was sagen die Kunden? Erkenntnisse fliessen in den nächsten iterativen Zyklus. Bewiesen versus widerlegt – das ist die Frage. Start-ups haben die besten Voraussetzungen Krisen zu überstehen. An der Kultur sollte es nicht scheitern.

Nichtsdestotrotz sind viele junge Unternehmen in der Realität derzeit mit grossen Hürden konfrontiert:

  • Besonders hart getroffene Branchen wie Reisen oder auch Gastro stecken aktuell in einer Sackgasse.

  • Akquisitionsphasen, Geld-/Finanzierungsrunden oder auch potenzielle Partnerschaften werden vorerst auf Eis gelegt – abwarten ist angesagt.

  • Bekanntheit und Aufmerksamkeit in traditionellen Medien zu generieren, ist nur schwer möglich, ausser man hat eine innovative Lösung für die akuten Probleme der Gesellschaft, Gesundheit und/oder Wirtschaft.

Den Herausforderungen gegenüber stehen aber auch viele Chancen:

  • Opportunitäten ergeben sich beispielsweise in den Bereichen E-Commerce, Fintech oder Healthcare.

  • War of Talents: Es besteht jetzt eine einmalige Chance, ein Pool an Talenten aufzubauen, denn viele Ressourcen werden frei oder umverteilt.

  • Auch wenn es sich im Moment nicht so anfühlt, die Krise wird nicht ewig andauern. Was aber ist mit der Welt nach Corona? Wie wird sich das Verhalten der Menschen verändern? Dies ist eine Spielwiese für neue Ideen.

Einige Unternehmen, mit denen ich zusammenarbeite, ist es gelungen sich zu adaptieren, einige profitieren:

  • Wenn Lieferanten und Partner im In- und Ausland Kurzarbeit anmelden und Prozesse sich verlangsamen: Ein Fintech-Start-up für Ausbildungsfinanzierung hat aufgrund des Lockdowns aufs Gaspedal gedrückt und beschleunigt aktuell die Produktentwicklung.

  • Schulen sind derzeit geschlossen sind, es muss auf E-Learning-Programme umgestiegen werden und selbstverantwortliches Lernen gewinnt an Bedetuung: Das Jungunternehmen Classtime bietet eine Softwarelösung für Lehrpersonen an, welche mehr Partizipation und Spass in den Klassenunterricht bringt und Lehrpersonen in Echtzeit Einblick in den Lernfortschritt der Schüler gibt. Die Software ergänzt den Unterricht komplementär und erhöht dessen Methodenvielfalt. Da die Schulen derzeit geschlossen sind und auf E-Learning-Programme umsteigen müssen, erhält das Start-up nun besonders viele Anfragen.

  • Insgesamt ist die Wertschätzung für die Landwirtschaft deutlich gestiegen, wie der Schweizer Bauernverband kürzlich mitgeteilt hat. Und, auf einmal ist man Teil der Versorgungssicherheit: Ein von mir mitgegründetes Start-up, Monalp, bietet mobile Käsereien zur Verarbeitung von nicht verwerteter Milch auf der Alp an und übernimmt Vertrieb sowie Vermarktung. Während der Verkauf in den Läden stagniert, profitiert der Käseonlineshop deinalpkaese.ch Das Team ist überzeugt, dass die Nachfrage nach lokalen Produkten vermehrt zunimmt.

Fest steht, der Lockdown dauert an, ob mit oder ohne finanzielle Unterstützung von Staat und Investoren. Sicher ist aber auch, ob Gewinner oder Verlierer: Wir lernen dazu.

 Zurück nach oben