Der Frauenstreik und die Pride stehen vor der Tür. Mit dabei sind nicht nur Demonstrierende, sondern auch Unternehmen. Doch wo fängt soziales Engagement an und wo hören Marketing und Kommunikation auf? Und wie riskant ist die politische Positionierung für die Reputation?
Politik polarisiert. Lange war sie vor allem in den Händen der Politikerinnen und Politiker. Doch in den letzten Jahren melden sich vermehrt Stimmen von unten. Massenbewegungen protestieren gegen die Parteipolitik, gegen die Eliten. Sie fordern Gleichstellung, Einhaltung der Klimaziele, mehr – oder auch weniger – Diversität in der Gesellschaft. Dass Bürgerinnen und Bürger sich politisch engagieren und mobilisieren, hat Tradition. Doch immer mehr springen Unternehmen auf den Zug der demonstrierenden Massen auf und nutzen den Moment, um sich zu positionieren. Social Advocacy und politische Corporate Social Responsibility (CSR) sind Teil der Kommunikations- und Unternehmensstrategien.
Bei einigen Marken sind das politische und soziale Engagement fester Bestandteil des Auftritts. Ein Beispiel dafür ist «Ben & Jerry’s». Der Eis-Hersteller achtet nicht nur auf faire und umweltschonende Produktion, sondern setzt klare Statements. Das Unternehmen hat, um eines von vielen Beispielen zu nennen, in Deutschland mit dem Slogan «Yes, I dough!» dazu aufgerufen, die «Ehe für alle» zu unterstützen. Über 55'000 Menschen haben sich über Ben & Jerry’s’ Homepage dafür engagiert.
Ein weiteres Unternehmen, das nicht vor klaren politischen Statements zurückschreckt, ist der Spielkartenhersteller «Cards Against Humanity» (CAH). Das bekannte US-Kartenspiel fällt immer wieder mit kontroversen, politischen Marketingkampagnen auf und spendet einen Grossteil der Einnahmen für politische und soziale Zwecke. Unter anderem hat sich CAH klar gegen Donald Trump positioniert. 15'000 Menschen bezahlten je 15$, um im Dezember 2017 sechs Überraschungen zu erhalten. Eine davon war, dass das Unternehmen Land an der US-Grenze zu Mexiko kaufte und Juristen anstellte, um den Mauerbau so schwer wie möglich zu machen. Link: https://www.cardsagainsthumanitysavesamerica.com/
Doch es gibt auch Unternehmen, bei denen politische CSR und Social Advocacy nicht so klar zur Strategie gehören wie bei den oben genannten Beispielen. Wenn solche Unternehmen beispielsweise bei einer Pride-Demonstration mitlaufen, stellt sich die Frage, wie sehr es dabei um das Heraustragen einer Botschaft geht und wie sehr um Eigenmarketing. Der Auftritt an politischen Veranstaltungen von Grosskonzernen wird immer wieder kritisiert – nicht zuletzt von ebendiesen sozialen Gruppen, denen das Engagement zugutekommt. Ebenfalls stösst die Kommerzialisierung politischer Symbole auf Kritik. Wenn Regenbogenfahnen und Feminismus-Symbole plötzlich die Produkte und Kommunikationsmassnahmen profitorientierter Unternehmen prägen, gar Spezialangebote wie Pride-Week-Rabatte angeboten werden, lässt sich der Marketing-Aspekt des scheinbar politischen Engagements nicht mehr abstreiten.
Abgeleitet vom «Greenwashing», also dem Kommunizieren umweltbewusster Massnahmen trotz fehlendem Umweltbewusstsein, ist so der Begriff «Pinkwashing» entstanden. Der Begriff wirft Unternehmen vor, Diversität mehr zu bewerben als tatsächlich zu leben. Wer sich also dafür entscheidet, sich als Unternehmen politisch zu positionieren, sollte nachweisen können, dass diese Werte auch gelebt werden. Denn CSR und Social Advocacy sind nicht primär Kommunikationsmassnahmen, sondern strategische Entscheide, die Aktion verlangen. Um das eigene Engagement für ein politisches Issue darzulegen, empfehlen sich Reportings auf der eigenen Webseite zu Themen wie Lohngleichheit, der Diversität im Unternehmen oder auch das Einhalten freiwilliger Standards und die Bewerbung um Gütesiegel.
Politische Statements eines Unternehmens sollten nicht nur mit dessen Werte und Strategie übereinstimmen, sondern auch mit jenen der relevanten Stakeholder. Sollte es hierbei zu einem Konflikt kommen, gilt es abzuwägen, ob das Risiko eingegangen werden kann, durch die politische Botschaft allenfalls Kunden, Partner oder andere Stakeholder zu verlieren. Auf jeden Fall sollten Marketing- und Kommunikationsmassnahmen mit politischem Hintergrund mit der allgemeinen Business-Strategie abgeglichen werden.
Auch wenn ein Unternehmen keine aktive politische Kommunikation betreibt, sind – ganz nach dem Ansatz der integrierten Kommunikation – aktuelle gesellschaftliche Themen, die das eigene Geschäft betreffen, auf den eigenen Kommunikationskanälen aufzugreifen. Beim Frauenstreik liess sich zum Beispiel beobachten, dass sich einige Schweizer Führungskräfte klar dafür oder dagegen ausgesprochen haben, während andere keine Stellung bezogen haben. Wer hier das Thema aufgreift, seine Ansichten authentisch kommuniziert und auf ein gesellschaftliches Bedürfnis reagiert, kann sich in unseren Augen langfristig nur positiv positionieren.